Tempelpyramide Huaca Pucllana in Miraflores

Wer sich längere Zeit in Peru aufhält, kommt nicht darum herum, die zahlreichen huacas des Landes zu bemerken. Man sieht sie bei Überlandfahrten, aber auch mitten in der Stadt, so beispielsweise in Limas beliebtem Stadtteil Miraflores. Doch was genau ist eine huaca? Der Begriff ist in der Tat sehr wage und kann verschiedene Bauwerke bezeichnen. Das Wort huaca kommt aus der alten Inkasprache Quechua, die heute noch von vielen Einheimischen Perus gesprochen wird. Huaca bedeutet „Zeremonienort“ und umschließt Tempel, Grabstätten und Götterbilder sowohl der Inka als auch früherer Kulturen der Region. Im weiteren Sinn kann das Wort alles „Heilige“ umfassen, somit auch Mumien, Tiere, wichtige Landschaftsmerkmale wie beispielsweise Vulkane oder die von den Inka verehrten Gottheiten wie Sonne, Mond und Sterne.

Lebensechte Figuren bei der "Arbeit" in der Huaca Pucllana

Lebensechte Figuren stellen die originalgetreue Arbeit der damaligen Zeit nach.

Huacas im Sinne „heiliger Orte“ kann man überall in Peru und auch in großen Teilen Boliviens, in Chile, Argentinien, Ecuador und Kolumbien antreffen. Allein im Stadtgebiet von Lima gibt es 54 Huacas! Im Stadtteil Miraflores befindet sich die absolut sehenswerte Huaca Pucllana nur 15-20 Gehminuten vom Kennedy-Park entfernt. Was bis in die 1980er Jahre ein vergessener Müllberg war, der das Stadtbild verschandelte und zum Motocross-Fahren einlud, wurde in den vergangenen Jahren sorgfältig renoviert und ist heute ein Wahrzeichen, das die Bewohner von Miraflores mit berechtigtem Stolz erfüllt. Das fünf Hektar große Gelände ist noch längst nicht fertig restauriert, dennoch sind schon große Teile der 23m hohen Pyramidenanlage für Reisegruppen begehbar. Die Aufmachung ist wirklich ansprechend, kleine Infotafeln (leider nur auf Spanisch) und Nachbildungen verschiedener Alltagsszenen ermöglichen es dem Besucher, sich ein Bild von der früheren Nutzung der Huaca zu machen. Die Huaca Pucllana darf nur mit einem lokalen Tourguide betreten werden. Die Führungen starten alle 20min, dauern etwa 1h, sind auf Spanisch und Englisch verfügbar und im Eintrittspreis von 12 PEN (etwa 3-4 EUR) inbegriffen.

Der „Bücherregalstil" macht die Huaca besonders erdbebensicher.

Der „Bücherregalstil” macht die Huaca besonders erdbebensicher

Die Huaca Pucllana, zu Deutsch etwa „Ort der heiligen Spiele“, ist ein Relikt der geheimnisvollen Lima-Kultur, welche die Region etwa zwischen 200 und 700 n. Chr. besiedelte. Wie viele Huacas der regenarmen Küstenregion ist sie aus Lehmziegeln errichtet, die vertikal in der técnica del librero, im „Bücherregalstil“, aufeinandergestapelt sind und die Erdbebenresistenz des Bauwerks garantieren. Der heilige Ort lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen: den administrativen und den religiösen. Die Führung führt zunächst durch den administrativen Bereich, der aus einem Labyrinth 4m hoher Mauern besteht, die auf einen größeren Platz münden. Hier tauschten die Lima Waren und hielten Versammlungen und Zeremonien, unter anderem rituelle Bankette und brutale Menschenopfer ab. Die Lima beteten das Meer und den Mond an und opferten diesen Göttern im Rahmen von Fruchtbarkeitszeremonien 12-25-jährige Frauen der Oberschicht. Interessant an der Lima-Kultur ist, dass es sich um ein Matriarchat handelte, in dem hohe Positionen, unter anderem die der Priester, von Frauen besetzt wurden. So war auch allein den Priesterinnen der Zugang zum religiösen Zentrum, der Pyramide, gestattet. Im Gegensatz zu ägyptischen Pyramiden ist das Innere dieser Pyramide mit Sand und Steinen aufgefüllt und nicht begehbar. Wichtig war hingegen der Weg zur Spitze der Pyramide, die einen Ausblick über die Umgebung ermöglichte und es den Lima-Priesterinnen ermöglichte, ihre Untertanen zu kontrollieren. Auf den verschiedenen Plattformen befinden sich unter anderem zwei Opferstätten, auf denen in tausenden kleinen Erdlöchern Opfer an die Ahnen erbracht wurden, vorwiegend in Form von Nahrungsmitteln und Keramik. Da die Lima das Meer verehrten (im Gegensatz zu den Inka, die die Sonne als ihren höchsten Gott anbeteten), hatten die Opfergaben oft Bezug hierzu. Beispielsweise wurde das Fleisch des Haifisches geopfert oder die geopferten Gefäße kunstvoll mit Meerestieren bemalt.

Die Lima wurden schließlich von der Wari-Kultur vertrieben. Diese übernahm die Huaca Pucllana als heiligen Ort, nutzte sie jedoch als Begräbnisstätte für ihre Adligen. Einige Gräber sind anschaulich nachgebildet und entsprechen den Funden der Archäologen. Die Gräber enthielten verschiedene Grabbeigaben, die den verstorbenen das Leben nach dem Tod erleichtern sollten: Neben Nahrung, Kleidung und Keramikgefäßen enthielten sie Werkzeuge, die dem Verstorbenen die Weiterführung seines jeweiligen Berufes ermöglichen sollten, sowie geopferte Kinder, die dem Verstorbenen im Jenseits dienen sollten.

Wari-Grab mit Wolle und Nahrungsmitteln als Grabbeigaben

Die Wari nutzten die Huaca Pucllana als Begräbnisstätte für ihre Adligen. Einige Gräber sind anschaulich nachgebildet und entsprechen den Funden der Archäologen.

Auf die Wari folgten verschiedene kleine Königreiche, die unter dem Begriff Ychsma zusammengefasst werden. Auch diesen diente die Huaca Pucllana als heiliger Ort für Opfergaben an die Götter. Die Ychsma wurden schließlich von den Inka erobert, die die Huaca Pucllana zwar als heiligen Ort respektierten, selbst jedoch nie nutzten.

Das Restaurant direkt an der Huaca Pucllana lädt zum gemütlichen Ausklang eines Museumsbesuchs ein.

Das Restaurant direkt an der Huaca Pucllana lädt zum gemütlichen Ausklang eines Museumsbesuchs ein. Abends hat man von hier aus einen herrlichen Blick auf die beleuchtete Huaca.

Auf dem Gelände der Huaca Pucllana befindet sich des Weiteren ein kleiner Park, der die Nutzpflanzen und -tiere der damaligen Zeit darstellt: Neben einheimischen Pflanzen wie Koka, Baumwolle, Maniok, Süßkartoffeln und Kapstachelbeeren (Physalis) weist der kleine Zoo auch Hühner, die in Südamerika so gerne verspeisten Meerschweinchen, den haarlosen peruanischen Hund sowie Lamas und Alpakas auf. Doch damit nicht genug, die Huaca Pucllana wartet des Weiteren mit einem Souvenirladen sowie einem kleinen Museum auf, das einige Fundstücke ausstellt, die das Leben der Lima, Wari und Ychsma, deren Ernährung, Opferrituale und typischen Grabbeigaben zeigen. Wer die Huaca-Besichtigung gebührend abschließen will, dem sei ein Besuch des nebenan gelegenen Huaca Pucllana-Restaurants nahegelegt. Dieses edle Restaurant mit Außenterrasse bietet einen exzellenten Ausblick auf die Huaca, die am Abend, ohne Besucher und bei Sonnenuntergang besonders bezaubernd wirkt. Bei ausgewählten Fischspeisen, Alpaka oder dem typisch peruanischen Lomo Saltado, einem Gericht aus Rindfleischstreifen, Tomaten, Zwiebeln und Pommes, lässt sich die Reise in die Vergangenheit angemessen abschließen.

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